The Daily Show. Die Programmierung des Infotainment

Prof. David Gugerli

Neil Postman beklagte 1985 in „Wir amüsieren uns zu Tode“ eine unheilvolle Vermischung: Mit Information und Entertainment gingen zwei eigentlich doch grundverschiedene Fernsehformate zunehmend im „Infotainment“ auf. Das Fernsehen stutze Informationen auf unterhaltende Formate zurecht, präsentiere sie „in einer Form, die sie versimpelt“ und verbreite weitum die Botschaft, Politik funktioniere genauso. Dies wirke sich zu Ungunsten der Information und der politischen Urteilsfähigkeit des Publikums aus. Postmans Analyse der programmhaften Machart des Fernsehens, des „Vermischens“ von Inhalten oder Interessen steht in einer langen Tradition medienkritischer Konzepte. Es waren dabei keineswegs nur erklärte Gegner des Mediums, die sich mit der Zerlegung von Handlungsfolgen und der Zusammenstellung von Sendungen, Reihen und Programmen befassten.

Die (kaum formalisierten) Regeln, nach denen Fernsehen für eine plurale Gesellschaft produziert wird und die Mechanik, in der aus Informationen Meinungen gebildet werden, sind historischem Wandel unterworfen. Das wird besonders deutlich, wenn sich die Rolle des Fernsehens verändert – wenn es zum Beispiel zum Content Provider umgebaut wird. Anhand von Literatur zur Rundfunkgeschichte und -theorie, von klassischen Publikationen der Medien- und Programmkritik des 20. Jahrhunderts sowie von ausgewählten Sendungen zeichnet das Seminar diesen Wandel nach. Als Ansatzpunkte für Untersuchungen fungieren unter anderem die jeweilig zeitgenössischen Figurationen vom Zuschauer bzw. Publikum, die Modellierungen von technischen Interaktionen sowie der Institutionalisierung von Programmkompetenz.

Semesterprogramm

02.03.2010
Einführung

09.03.2010
Das Fernsehen als grosse Erzählung des
20. Jahrhunderts

  • Knut Hickethier: Rezeptionsgeschichte des Fernsehens - ein Überblick. In: Walter Klingler u.a. (Hg.): Medienrezeption seit 1945. Forschungsbilanz und Forschungsperspektiven. Baden-Baden 1999, S. 129–141.
  • Theo Mäusli und Andreas Steigmeier: Wachstum und zunehmende Komplexität – die SRG als eine Schweiz im Kleinen. In: Dies. (Hg.): Radio und Fernsehen in der Schweiz. Geschichte der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG 1958-1983, S. 365–379.

16.03.2010
Im Sender: die routinierte Produktion eines universellen Mediums

  • John Ellis: Television Production. In: Robert C. Allen und Annette Hill: The Television Studies Reader. London 2004, S. 275–292.
  • Quelle: Werner Rings: Die 5. Wand: Das Fernsehen. Wien und Düsseldorf 1962. Kapitel III: „Sie, hinter der 5. Wand. Die Programmfabrik“. [S. 225-260, gekürzt. Fotos S. 240ff]

23.03.2010
Fernsehtechnische Projektionen zwischen öffentlicher und privater Nutzung: das Beispiel Eidophor

  • Caroline Meyer: Der Eidophor. Ein Grossbildprojektionssystem zwischen Kino und Fernsehen, 1939-1999. Zürich 2009, S. 9–20; 53-85.

30.03.2010
Exkursion zum Schweizer Fernsehen

  • Archivführung

13.04.2010
Fernsehbilder: Ästhetische Technik, technische Ästhetik

  • John T. Caldwell: Modes of Production. The Televisual Apparatus. In: Robert C. Allen und Annette Hill: The Television Studies Reader. London 2004, S. 293–310.

20.04.2010
Unterhaltung und politische Kultur im Wandel

  • Christina von Hodenberg: Mass Media and the Generation of Conflict: West Germany’s Long Sixties and the Formation of a Critical Public Sphere. In: Contemporary European History 2006/3, S. 367–395.
  • Christoph Classen: Ungeliebte Unterhaltung. In: Jens Ruchatz (Hg.): Mediendiskurse deutsch/deutsch. Weimar 2005, S. 209–234.

27.04.2010
Telegene Moderationen? Zwei missglückte Sendungen

  • Florian Kain: Modellfall politischer Pression im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Warum Dieter Hildebrandts “Notizen aus der Provinz” vom ZDF 1979  abgesetzt wurden. In: Rundfunk und Geschichte, 33/2007, S. 5–18.

04.05.2010
Disposition der Seminararbeiten

11.05.2010
Unwiderstehliches Fernsehen - Lesarten des Populären

  • John Fiske: Die populäre Ökonomie. In: Rainer Winter und Lothar Mikos: Die Fabrikation des Populären. Bielefeld 2001, S. 111–138.
  • Sibylle Niekisch: John Fiske (*1939). Populärkultur zwischen Alltagspraxis und Widerstand. In: Martin Ludwig Hofmann u.a. (Hg.): Culture Club. Klassiker der Kulturtheorie. Frankfurt 2004, S. 241–257.

18.05.2010
Reserve

25.05.2010
Space Night: Die Landung auf dem Mond

  • Andreas Rosenfelder: Medien auf dem Mond. Zur Reichweite des Weltraumfernsehens. In: Irmela Schneider, Torsten Hahn und Christina Bartz: Medienkultur der 60er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Band 2. Wiesbaden 2003, S. 17-33.

01.06.2010
Schlusssitzung