Wer heutzutage Fernsehen einem grösseren Publikum zugänglich machen möchte (beispielsweise für Public-Viewing), dem stehen dafür entweder Beamer für die Projektion oder Grossbild-Displays in einer Palette von Fabrikaten, Bildqualitäten und Preisklassen zur Verfügung. Am Ursprung dieser Auswahl steht der Eidophor. Der Eidophor war ein Fernseh-Projektionsverfahren aus der Schweiz, dessen zeitliche Eckdaten von der Patentierung (1939) über die Produktionsreife (1959) bis zur Produktionseinstellung reichen (Ende der 1990er Jahre). Diese Lebensspanne von fast 60 Jahren ist aussergewöhnlich für ein einzelnes audiovisuelles Gerät des 20. Jahrhunderts.
Der Eidophor (griech. für Bildträger) vermochte Fernsehbilder in der Dimension eines Kinobildes wiederzugeben. Zudem übertrug der Eidophor Livebilder bereits in Farbe, als die Heim-Fernsehgeräte vornehmlich in Schwarz-weiss sendeten. Damit bewegte sich dieses Gerät funktional an der Schnittstelle von Kino und Fernsehen. Im Spannungsfeld dieser Leitmedien musste sich der Eidophor seinen spezifischen Anwendungsbereich erst erschliessen. Die vorliegende Studie macht verständlich, wieso Fernsehen in der Regel zu Hause und nicht im Kino geschaut wird. Ansprüche der Kinoindustrie und des Fernseh-Rundfunks drängten den Eidophor in Funktionsnischen im Bereich des Sports, der Wissenschaft, der Politik, der Industrie und der Kunst, wo er pionierhaft den Weg für Standardanwendungen vorspurte. Entsprechende Phänomene in den USA und in Europa (insbesondere in Deutschland, Frankreich und England) verdeutlichen, in welchem Mass die audiovisuelle Medienlandschaft bereits vor dem Zeitalter des Internets international verflochten war. Geographischer Ausgangs- und Vertiefungspunkt bleibt jedoch die Schweiz, was mit dem Schweizer Forschungs- und Produktionshintergrund des Eidophors zusammenhängt. Zudem zeigt das Beispiel der Schweiz exemplarisch, wie der politische und institutionelle Aushandlungsprozess zum Thema «öffentliches Fernsehen» verlief, der den Nutzungsbereich des Eidophors (und damit weiterer Grossbildverfahren) beeinflusste. Mit der Konzentration auf einen medialen «Aussenseiter» als thematische Klammer geraten soziotechnische, kulturelle, politische und rechtliche Strömungen in den Fokus, die in herkömmlichen Kino- oder Fernsehgeschichten bisher kaum Beachtung fanden.