Weshalb wurde der Wunsch, das Wetter zu verstehen, zu einem bundesstaatlichen Programm? Was bedeutete dies für die Institutionalisierung der Meteorologie als Wissenschaft? Und wie beeinflusste das wiederum das Selbstverständnis des 1848 gegründeten schweizerischen Bundesstaats? Mein Dissertationsprojekt nutzt die Geschichte der Wetterbeobachtung und Wetterforschung in der Schweiz, um die aus heutiger Perspektive selbstverständliche Kooperation von Wissenschaft und Nationalstaat in ihrem Entstehungskontext zu beleuchten. Die dafür untersuchte Epoche von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis ins frühe 20. Jahrhundert kann sowohl für die europäischen Nationalstaaten als auch für die Meteorologie als eine eigentliche Gründungszeit gelten.
Um den Erfolg nationalstaatlicher Organisationsformen im wissenschaftlichen Bereich zu verstehen, befriedigt weder die Annahme einer autonomen Wissenschaft noch das gegenteilige Bild einer staatlichen Steuerung. Stattdessen rückt das Dissertationsprojekt die Interaktionen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen in den Vordergrund. Insbesondere wird der Diskurs über praktische Nützlichkeit analysiert. Die Schweizerische Meteorologische Zentralanstalt konnte sich etablieren, weil sie – so die These – einen Nutzen sowohl für die Wissenschaftlergemeinschaft als auch für die bundesstaatliche Politik glaubhaft machte. Von der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 1863 gegründet und 1881 vom Bund verstaatlicht, übernahm die Zentralanstalt in den folgenden Jahrzehnten immer mehr Aufgaben.
Die internationale Kooperation, die sich in der Meteorologie während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte, trug zur Nationalisierung bei, weil nationalstaatliche Einrichtungen zu den massgeblichen Akteuren grenzübergreifender Zusammenarbeit wurden. Enge Beziehungen zwischen den verschiedenen nationalen Institutionen entstanden bei der Wetterprognostik wie auch bei Forschungsaktivitäten. Doch mitten in diese Dynamik brach der Erste Weltkrieg herein, worauf die internationale Zusammenarbeit abriss. Die Kriegssituation bewirkte auch einen Spardruck innerhalb der schweizerischen Bundesverwaltung, der sich auch auf die Meteorologische Zentralanstalt auswirkte. Grundsätzlich in Frage gestellt wurde deren Finanzierung jedoch nicht: Es hatte sich ein breiter Konsens gebildet, dass die Dienstleistungen der Meteorologische Zentralanstalt von nationaler Relevanz seien.