Gebirgsbildung durch allmähliche Abkühlung des Erdkörpers am Pappmaché-Ballon illustriert, Internationaler Geologenkongress 1878

Earth matters

Between terrestrial and social scales

Andrea Westermann

Die massive Nutzung mineralischer Rohstoffe und die dadurch mit vorangetriebene Erwärmung des Erdklimas stellt Gesellschaften weltweit vor ökonomische und politische Herausforderungen. Denn beide Entwicklungen verschärfen und zementieren soziale Ungleichheiten. Als Beitrag zur politischen Diskussion im Zeitalter der globalen Umweltkrisen wird die Geschichte einer uns heute zwar selbstverständlichen, aber weiterhin anspruchsvollen Kulturtechnik verfasst: der Maßstabswechsel zur Erfassung von und Vermittlung zwischen terrestrischen und gesellschaftlichen Phänomenen.

Wie heute tauchten in der zweiten Hälfte  des 19. Jahrhunderts geologische und geoökonomische Problemstellungen auf, die einen neuen gesellschaftlichen Umgang mit terrestrischen Maßstäben erforderten. Das Buch untersucht, wie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Alpengeologen und die Öffentlichkeiten insbesondere in den Alpenanrainerstaaten Schweiz, dem Habsburger Reich, dem Deutschen Kaiserreich oder Frankreich die Denk- und Handlungsroutinen entwickelten und einübten, um mit solchen Problemstellungen umzugehen. Wie heute beschäftigten sich Bürger und Experten mit der Erdkruste und ihrer Geschichte aus Sorge um gesellschaftliche Zukünfte. Fortschreitende Vergletscherung bedrohte die Alpenökonomien, schwindende Erzreserven bedrohten das globale Wirtschaftswachstum und Erdbeben bedrohten soziale Ordnungen. Die Debatten legten die geo-materiellen Bedingungen für gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben offen. Schließlich legten sie auch die Fallstricke offen, die die Notwendigkeit mit sich brachte, terrestrische und gesellschaftliche Maßstäbe sinnvoll zu eichen und aufeinander zu beziehen. 

Earth Matters unterstreicht die alte Schlüsselbotschaft der Science and Technology Studies: Die Schaffung und Aufrechterhaltung von Gesellschaftsordnungen sind ohne die Berücksichtigung ihrer materiellen wissenschaftlich-technischen Grundlagen nicht zu verstehen. Das Buch gibt dieser Botschaft einen neuen Dreh: Es analysiert die elementaren und terrestrischen Dimensionen, die diese Grundlagen ganz wesentlich charakterisieren.