Die Arbeit untersucht den Transfer elektrischer Lampen zur Bestrahlung des menschlichen Körpers aus dem naturwissenschaftlichen Labor in die Gesellschaft in der Zeit zwischen 1890 und zirka 1960. Das Ziel besteht darin, das Auftauchen dieser technischen Geräte an ständig neuen Orten in der Gesellschaft – beispielsweise in Tuberkuloseheilstätten, Kinderheimen, Trainingsanlagen für Sportler oder beim Friseur – durch den Beizug der Apparate zur Lösung immer neuer Probleme zu erklären. Schwerpunkte der Arbeit bilden die Bedeutung der technischen Reproduzierbarkeit der Lichtstrahlen für die Entstehung der wissenschaftlichen Tatsache einer physiologischen Lichtwirkung, der Versuch, den Körper durch technische Mittel zu „verbessern“, und die Risikowahrnehmung im Umgang mit „künstlichen Reizen“. Bearbeitet wird eine Lücke in der bisherigen Forschung über die Lebensreformbewegung an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert, über die Entstehung des Schönheitsideals der gebräunten Haut und über die Anfänge der naturwissenschaftlichen Lichttherapie.
Der Forschungsansatz orientiert sich an Konzepten aus der Akteur-Netzwerk-Theorie. Bruno Latour schlägt zur Beschreibung der Verbreitung eines Artefaktes in Raum und Zeit das Modell der Übersetzung vor. In dieser Sicht der Dinge diffundiert ein Artefakt nicht einfach durch die Gesellschaft, sondern sein Nutzen wird ständig neu verhandelt. Transformationsprozesse bilden den Antrieb für die Verlagerung des Artefaktes. Die Bestrahlungsapparate können entsprechend als technische Kniffs verstanden werden, durch die verschiedene Akteure versuchen, Lichtstrahlen in bestimmten Rollen – als Bakterizid, als Energiequelle oder als kosmetisches Mittel – zu fixieren. Haben die Akteure Erfolg, entstehen soziotechnische Netzwerke. Welche Bauteile in einem Bestrahlungsapparat Verwendung finden – beispielsweise ob Glühlampen oder Quarzbrenner – hängt von der Problematisierung ab, die einem Akteur den Griff zu elektrischem Licht als sinnvoll erscheinen lässt. Weiter wird davon ausgegangen, dass die Apparate aktiv in die Verhandlung ihrer Nützlichkeit eingreifen: Weil sie als Forschungsinstrumente an der Schaffung neuen Wissens beteiligt sind, haben sie Einfluss auf das Formulieren von Problematisierungen.
Die Arbeit stützt sich auf wissenschaftliche Publikationen zur physiologischen Lichtwirkung hauptsächlich aus dem deutschsprachigen Raum. Um die Verwendung der Apparate ausserhalb des naturwissenschaftlichen Labors zu verstehen, werden populärwissenschaftliche Schriften und Texte aus den Federn von Lebensreformerinnen und Lebensreformern untersucht. Dieser Kern des Quellenkorpus wird um Gesundheitsratgeber, Kosmetikbücher und Werbebroschüren über die Apparate ergänzt. Anhand von Berichten aus Heilstätten, Kliniken oder Kinderheimen und Schulen kann die alltägliche Bestrahlungspraxis beschrieben werden.
Die Arbeit betreuen Prof. Dr. David Gugerli und Prof. Dr. Philipp Sarasin.