Faksimile aus Max Frisch: Ignoranz als Staatsschutz? ©Max Frisch-Archiv, Zürich

Max Frisch

Ignoranz als Staatsschutz?

David Gugerli, Hannes Mangold

In seinem letzten Typoskript verarbeitete Max Frisch auf sehr persönliche Art jenen Skandal, der die Schweiz 1989/1990 erschütterte: Fast eine Million Einwohner war während des Kalten Krieges vom schweizerischen Staatsschutz observiert worden. Auf individuell angelegten Karteikarten oder „Fichen“ hatte die Bundesanwaltschaft eine eigene Verdachtschronik produziert, deren grotesk banaler Charakter den Skandal nur verstärkte.

Frischs Arbeit an der eigenen Akte fand im Vorfeld der umstrittenen 700 Jahrfeier der Eidgenossenschaft statt. Fast ein halbes Jahrhundert nach Stiller sah sich Frisch gezwungen, die Frage nach dem Verhältnis von Lebensgeschichten und Identität nochmals aufzunehmen. Er rückte dem Strandgut des analogen Überwachungsapparates mit Schere, Tacker und Schreibmaschine auf den Leib. Die dabei entstandene Collage ist die erschütternde Abrechnung mit der Ignoranz, nicht nur des Staatsschutzes. Sie wird hier zum ersten Mal veröffentlicht.

Zur Publikation -> Max Frisch: Ingnoranz als Staatsschutz? Herausgegeben von David Gugerli und Hannes Mangold. Berlin: Suhrkamp 2015