Zwischen 1880 und dem Ersten Weltkrieg wurde der globale Kapitalismus radikal umgebaut. Die europäischen Imperien stellten ihre erstarkenden Nationalstaaten in den Dienst einer territorialen Expansion zugunsten des eigenen Fortschritts. Kolonien in Asien und Afrika wurden zu Rohstofflieferanten und gleichzeitig zu Abnehmern von Industrieprodukten. Ein neuer Begriff kam auf: die „internationale Arbeitsteilung“.
Kleine Länder wie die Schweiz hatten nicht die militärischen Mittel, um entfernte Territorien zu kolonialisieren. Dennoch handelten in der Schweiz domizilierte Unternehmen ab Mitte des 19. Jahrhunderts im globalen Massstab mit agrarischen Rohstoffen, seit den 1960er Jahren auch mit hard commodities wie Erdöl und Eisenerzen. Als Zwischenhändler belieferten sie die Metropolen der anderen. Eine in der Schweiz domizilierte Firma kaufte also Ware in den Ländern A, B und C und verkaufte sie in den Ländern X, Y und Z. Man nennt dieses Geschäft „Transithandel“. Aus Sicht der Schweiz handelt es sich um einen Dienstleistungsexport – und damit um eine chronisch unterbeleuchtete Sphäre der globalen Wirtschaft.
In meinem Projekt beleuchte ich den Aufstieg, die Krisen und die Veränderungen des Transithandels in der Schweiz seit 1860. Auf ein starkes Wachstum der Branche zwischen 1880 und 1914, das auch in den 1920er Jahren anhielt, folgte in den 1930er Jahren ein drastischer Niedergang. Die Weltwirtschaftskrise und die internationalen Kapitalverkehrskontrollen erschwerten das Geschäft. Mit dem Zuzug ausländischer Unternehmen begann der Sektor ab den 1960er Jahren dann wieder zu wachsen – zunächst verhalten, nach der Jahrtausendwende exponentiell. Heute wird schätzungsweise 20-25%, also ein Fünftel bis ein Viertel des weltweiten Rohstoffhandels über die Schweiz abgewickelt.